An die Bundesregierung, insbesondere
die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Frau Nancy Faeser,
den Chef des Kanzleramtes, Herrn Wolfgang Schmidt,
An die Fraktionsvorsitzenden der Parteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP,
Herrn Rolf Mützenich MdB, Frau Katharina Dröge MdB,
Frau Britta Hasselmann MdB und Herrn Christian Dürr MdB,
An die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Bärbel Bas MdB
Berlin u.a., den 19.03.2024
Offener Brief
Protest gegen die Beschädigung des Amtes des/der
Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland hat sich in ihrem Koalitionsvertrag 2021-2025
„Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ zur Aufgabe
gemacht, den Datenschutz zu stärken. Ihre eigenen Worte lauten auf Seite 104: „Den Rechtsschutz
sowie die Datenaufsicht durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit (BfDI) stärken wir deutlich.“
Die Vorgänge in Bezug auf die Neu- oder Weiterbesetzung des Bundesbeauftragten für Datenschutz
und Informationsfreiheit (BfDI) schaden dem Amt jedoch in noch nie dagewesener Weise. Eine
Unklarheit über die Fortführung der Amtsgeschäfte schwächt den gesamten Datenschutz in Bund und
Ländern. Nichts fügt dem Datenschutz in Deutschland jedoch einen größeren und nachhaltigeren
Schaden zu, als das verheerende Zeichen, dass der BfDI sich bei seinen unabhängigen
Amtsgeschäften nicht sicher vor politischer Sanktion und damit vor politischer Einflussnahme sein
kann. Es entsteht der Eindruck, der bisherige Amtsinhaber könnte sich eine mögliche zweite Amtszeit
nicht durch den Einsatz für die Sache erarbeiten, sondern insbesondere durch politische Gefügigkeit.
So erginge es jedoch auch jeder nachfolgenden Person im Amt der oder des BfDI.
Laut DSGVO und BDSG handelt die Aufsichtsbehörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und bei der
Ausübung ihrer Befugnisse völlig unabhängig. Sie oder er unterliegt weder direkter noch indirekter
Beeinflussung von außen und ersucht weder um Weisung noch nimmt sie oder er Weisungen
entgegen. Zum Verfahren zur Besetzung der Datenschutzaufsicht führt die DSGVO in Art. 53 aus: „Die
Mitgliedstaaten sehen vor, dass jedes Mitglied ihrer Aufsichtsbehörden im Wege eines transparenten
Verfahrens ernannt wird.“ Ein transparentes Verfahren zur Benennung ist in Deutschland aktuell nicht
vorgesehen. Dieser Umstand wird von Fachverbänden zu recht bemängelt. Die aktuell entstandene
Verunsicherung ist eine unmittelbare Auswirkung dieser fehlenden Transparenz.
Es ist bekannt, dass sich der kommissarisch amtierende BfDI für eine weitere Amtszeit bewirbt. Es
gibt keine Äußerung der Bundesregierung, warum eine nochmalige Benennung nicht geplant ist oder
wer anstelle des amtierenden BfDI der Vorschlag ist. Ein transparentes Verfahren gibt es nicht. Dies
gibt Raum für Spekulationen, die der Person, der Behörde, dem Datenschutz als solchem und nicht
zuletzt auch dieser Bundesregierung selbst schaden.
Die unterschreibenden Organisationen eint die Sorge um die Unabhängigkeit des BfDI und damit um
die Effektivität des Datenschutzes in Deutschland.
Wir fordern die Bundesregierung und den Bundestag auf, den bereits in erheblicher Weise
entstandenen Schaden nach allen Kräften zu begrenzen und schnellstmöglich Klarheit über die
Fortführung zu schaffen. Um die Beschädigung nicht als Dauerzustand fortzusetzen, müssen
außerdem die Weichen für die Stärkung der Unabhängigkeit des Bundesbeauftragten für
Datenschutz und Informationsfreiheit durch das Festschreiben eines transparenten
Benennungsverfahrens gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
- Ann Cathrin Riedel und Teresa Widlok für LOAD e.V.
- Caroline Krohn für die AG Nachhaltige Digitalisierung
- Padeluun für Digitalcourage e.V.
- Lilli Iliev für Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V.
- Henriette Litta für die Open Knowledge Foundation Deutschland
- Bianca Kastl für den Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V. (InÖG)
- Max Schrems für noyb – Europäisches Zentrum für digitale Rechte
- Dr. Stefan Brink für das Wissenschaftliche Institut für die Digitalisierung der Arbeitswelt,
wida - Christine Regitz für die Gesellschaft für Informatik e.V.
- Prof. Dr. Daniel Loebenberger für den Fachbereich Sicherheit – Schutz und Zuverlässigkeit
der Gesellschaft für Informatik e.V. / Fraunhofer AISEC - Dr. Martin Weigele für den Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für
Informatik e.V. - Elisa Lindinger für SUPERRR Lab
- Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker für das cyberintelligence.institute
- Matthias Spielkamp für die AW AlgorithmWatch gGmbH
- Jennifer Herbert für Netzbegrünung e.V.
- Stefan Hügel & Rainer Rehak für das Forum InformatikerInnen für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung - Chaos Computer Club e.V. (CCC)
- Svea Windwehr für D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt
- Johannes Näder für die Free Software Foundation Europe e.V.
- Frederick Richter, LLM für die Stiftung Datenschutz
- Peter Schaar für die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID),
ehemaliger Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - Tom Jennissen für die Digitale Gesellschaft e.V.
- Robert Peter, Weizenbaum Institut e.V.